Französische Renaissance-Antiqua
In der Schriftklasse Französische Renaissance-Antiqua, der Klasse 2 der Schriftklassifizierung nach DIN 16518, finden sich Schriften, die sich ab Mitte des 16. Jahrhunderts in Frankreich aus den venezianischen Druckschriften entwickeln.
Von Venedig nach Paris
Die in dieser Klasse zusammengefassten Schriften entwickeln sich mit der anbrechenden Spätrenaissance ab etwa 1530 in Frankreich, vornehmlich im Großraum Paris.

Überragende Schriftgestalter aus dieser Periode sind das Gespann Aldus Manutius und Francesco Griffo, deren Einfluss über die Alpen bis nach Frankreich dringt, sowie die Franzosen Antoine Augereau und sein Lehrling Claude Garamond, die mit ihren Arbeiten die ganze Epoche klar dominieren.

Schwierige Unterscheidung
Der Übergang von der Venezianischen Renaissance-Antiqua zur Französischen Renaissance-Antiqua vollzieht sich allerdings fließend und die Unterscheidung zwischen beiden Schriftgruppen ist nicht immer leicht.
So kommt auch der in DIN 15618 vorgenommenen Unterscheidung in Renaissance-Schriften französischen und venezianischen (italienischen) Ursprungs in der schriftsetzerischen Praxis nur geringe Bedeutung zu.


Feinere Ausgestaltung
Immerhin lässt sich festhalten, dass die Französischen Renaissance-Antiquas sich von den venezianischen Varianten durch eine allgemein feinere Ausgestaltung des Schriftbilds unterscheiden. Diese Ausgestaltung vollzieht sich im zeitlichen Ablauf etwa parallel zur technischen Verfeinerung des Druckvorgangs mit dem Übergang zur vollendeten Druckkunst, wie er in dieser Zeitperiode zu beobachten ist.
Am deutlichsten tritt diese Verfeinerung des Schriftbildes in den feiner abgestuft ausgestalteten Unterschieden der Strichstärken bei der Französischen Variante zutage. Den französischen Schriften aus der Spätrenaissance (in der englischsprachigen Literatur als Geraldes bezeichnet) wird meist ein ruhiges, ausgeglichenes und differenziertes Schriftbild mit hervorragenden Leseeigenschaften attestiert.


Gleichmäßigere und harmonischere Formen
Im Vergleich zur Venezianischen Renaissance-Antiqua verfügt die französische Variante über gleichmäßiger gestaltete Zeichenformen. Die französische Antiqua wirkt daher im Schriftbild ruhiger und vermittelt einen übergreifend solideren Eindruck als die manchmal etwas unruhig wirkende Venezianerin. Die Zeilenführung der Französin erscheint ruhig und das gesamte Schriftbild zeichnet sich durch eine sehr gute Lesbarkeit aus.
Diese Eigenschaften prädestinieren die französischen Renaissance-Schriften für längere Texte und den Einsatz im Werksatz. Durch ihre regelmäßigere Formgebung eignen sie sich besser für den Druck, da sie gegen drucktechnische Fehlstellen und technische Unwägbarkeiten des Druckvorgangs bei ungünstigen Voraussetzungen deutlich unempfindlicher sind.
Allgemein weisen die Schriften der Französischen Renaissance-Antiqua die folgenden Merkmale in unterschiedlichen Ausprägungen auf:
- Schattenachse deutlich nach links geneigt
- Serifen mit stark ausgerundeter, (manchmal aber auch fehlender) Kehlung
- schräg verlaufende Anstriche/Dachansätze
- Querstrich des e verläuft waagerecht
- deutlich differenzierte Strichstärken (Grund- und Haarstriche)
- Grossbuchstaben (oft) mit geringerer Höhe als die Oberlängenhöhe
Schriftbeispiele der Französische Renaissance-Antiqua
- Bembo (original: Griffo, 1496; neu durch Morrison, 1929)
- Garamond (Garamond, 1480 - 1561)
- Goudy Old Style (Goudy, 1915)
- Weiß Antiqua (Weiß, 1926)
- Granjon (Jones, 1928)
- Palatino (Zapf, 1950)
- Berling (Forsberg, 1951)
- Aldus (Zapf, 1954)
- Trump Mediaeval (Trump, 1954)
- Meridien (Frutiger, 1955)
- Dante (Mardersteig, 1957)
- New Aster (Simoncini, 1958)
- Albertina (Blokland, 1965)
- Sabon (Tschichold, 1967)
- Galliard (Carter, 1978; nach Granjon, 16. Jh.)
- Stone Serif (Stone, 1987)
- Minion (Slimbach, 1990)