Serifenlose Linear-Antiqua
In Gruppe 6, den Serifenlose Linear-Antiquas der Schriftenklassifikation nach DIN 16518, werden Schriften zusammengefasst, deren augenfälligstes Merkmal das Fehlen von Serifen ist.
Begrifflichkeit
Die Schriften der Serifenlose Linear-Antiqua werden auch als Groteske bzw. Grotesk-Schriften, im englischen Sprachgebrauch als Sans Serif-Schriften bezeichnet. Ihre Bezeichnung als Grotesk-Schriften leitet sich von dem Befremden ab, mit dem die ersten Schriften ohne Serifen, die völlig mit den zeitgenössischen Lese- und Satzgewohnheiten brachen, aufgenommen wurden.
Aus diesem offenen Bruch mit dem Gewohnten, Vertrauten ergibt sich auch die erste Nutzung der Serifenlosen: als Werbeschriften, deren Wesen ja die Erregung von Aufmerksamkeit sein soll.
Wurzeln der Serifenlose Linear-Antiqua
Als erste Groteskschrift gilt die 1803 von dem englischen Schriftgießer Robert Thorne vorgestellte Schrift, von der aber leider keine Muster erhalten sind. Dessen ungeachtet sind serifenlose Schriften bereits von griechischen und römischen Münzen bekannt.
Als gesichert gilt die Veröffentlichung der Egyptian (nicht zu verwechseln mit Egyptienne, jedoch auf dem gleichen, zeittypischen 'Ägypten-Fimmel' beruhend) durch William Caslon IV., Urenkel von William Caslon, im Jahr 1816 als Two Lines English Egyptian (in 28 Punkt Schriftgröße).
Gut dokumentiert sind die deutsche Steinschrift, die 1830 bei der Schriftgießerei Schelter & Giesecke in Leipzig erscheint, sowie die 1832 von dem englischen Schriftgießer Vincent Figgins vorgestellte Two-line Great Primer Sans Serif, die in drei verschiedenen Schriftgraden erscheint.
Figgins kommt dabei der Verdienst zu, als Erster die aus dem Französischen übernommene Bezeichnung 'Sans Serif' genutzt zu haben.
Schriftmoden
Die Groteskschriften nehmen im 19. Jahrhundert einen rasanten Aufschwung. Ihre allgemeine Erscheinung ist zunächst sehr fett und mit großer Strichstärke. Im Verlauf ihrer weiteren Nutzung nimmt die Strichstärke jedoch allmählich ab. Trotzdem bleiben die Groteskschriften im Wesentlichen Auszeichnungs- oder Zierschriften und sind im Werksatz nur selten anzutreffen.
In Deutschland bildet sich im Kielwasser des Futurismus, später auch Dadaismus und Konstruktivismus, mit den ab 1920 aufkommenden, nach geometrischen Prinzipien und aus einfachen Grundformen konstruierten Serifenlosen (Futura, 1927) eine eigene Unterklasse heraus. Diese Schriften werden als geometrische Serifenlose bezeichnet.
Gelegentlich wird die Gruppe der Serifenlosen weiter unterteilt in:
Klassizistischer Antiqua-Charakter | Ältere Unterklasse der Groteskschriften (seit 1816). Die Grundformen der Schriftarten dieser Unterklasse leiten sich aus den Klassizistischen Antiqua ab. Beispiele: Akzidenz Grotesk, Univers, Helvetica. |
---|---|
Renaissance Antiqua-Charakter | Jüngere Unterklasse der Grotesk. Stilbildend ist die 1928 erschienene Gill Sans. Die Formgebung orientiert sich an den Renaissance-Antiqua. Beispiele: Syntax, Frutiger, Meta. |
Amerikanische | Ab Anfang des 20. Jh. in den USA entwickelten Serifenlose. Stil prägend ist die Franklin Gothic von 1904. Beispiele: News Gothic, Antique Olive, Vectora. |
Geometrische | Stark vereinfachte, konstruierte Zeichenformen ohne Typografie-historische Bezüge ('Revoluzzerschriften'). Sie lassen sich durchweg auf einfache, geometrische Grundformen zurückführen. Beispiele: Futura, Kabel, Avenir. |
Es existieren andere Schemata zur Untergliederung dieser Klasse.
Merkmale der Serifenlose Linear-Antiqua
- keine Serifen
- wenig bis keinen Kontrast in den Strichstärken
- klare, meist abstrakte Grundformen
- Schattenachse (zumeist) senkrecht
- oft Oberlängen der Minuskeln gleich Versalienhöhe
Beispiele
- Egyptian (1816, Tetterode Foundry)
- Grotesque (1832, William Thorowgood)
- Akzidenz Grotesk (1902)
- Franklin Gothic (1903, Morris Fuller Benton)
- Erbar (1930, Jakob Erbar, Alessandro Butti)
- Kabel (1928, Rudolf Koch)
- Futura (1927, Paul Renner )
- Gill Sans (1928, Eric Gill)
- Trade Gothic (1948, Jackson Burke)
- Microgramma (1952, Alessandro Butti)
- Univers (1957, Adrian Frutiger)
- Helvetica (1958, Max Miedinger)
- Eurostile (1962, Aldo Novarese)
- Antique Olive (1962, Roger Excoffon)
- Syntax (1969, Hans Eduard Meier)
- Avant Garde (1970, Herb Lubalin)
- Bauhaus (1974, Asher Gat)
- Frutiger (1976, Adrian Frutiger)
- Eras (1976, Albert Boton)
- Avenir (1988, Adrian Frutiger)
- Arial (1989, Robin Nicholas)
- Vectora (1991, Adrian Frutiger)
- Meta (1991)