Schriftportrait Aldus

Aldus, die Buchschrift. Die Serifenschrift Aldus ist der unaufdringliche Leitfaden für Hunderte von Buchseiten - schmal laufend, harmonisch und auch in kleinen Schriftgrößen mühelos lesbar. Ganz nach dem Motto von Willy Wiegand: "Die beste Buchschrift ist die, die man beim Lesen vergisst."

Hermann Zapf's zarte Palatino

Nachdem dem Typograf Hermann Zapf 1950 mit der Schriftart Palatino der große Wurf für den Akzidenzdruck gelungen ist, stellt er fest, dass etwas fehlt: eine Schrift für den Buchdruck.

Seine Palatino ist eigens auf den Bedarf der Kleindrucksachen zugeschnitten - kräftig in ihrer Statur, von etwas großzügigerer Laufweite und für größere Schriftgrößen beim Druck auf Kunstdruckpapier gezeichnet. Ihre Stärke und ihre Berufung liegen bei den Kleindrucksachen, im Zeitschriften- oder Katalogdruck auf glattem Kunstdruckpapier.

Auf Anregung des schweizerischen Buchgestalters und Lyrikers Gotthard de Beauclair, künstlerischer Leiter bei der D. Stempel AG und dem Insel-Verlag, entwickelt Hermann Zapf im Jahr 1953 eine schmal laufende, leichtere Ergänzung zur Palatino.

Zapf bezeichnet seine Neue zunächst als Palatino-Buch. Als sie aber im Folgejahr bei der D. Stempel AG, Frankfurt/M. (PDF) erscheint, trägt sie den Namen Aldus-Buchschrift.

Zunächst erscheinen Aldus-Typen für den Handsatz sowie Zeilengussmatrizen in den Größen 6 bis 10 und 12 Punkt in den Schnitten eng und eng-kursiv.

Aldus ist zu Ehren von Aldus Manutius benannt jenem berühmten venezianischen Buchdrucker, dem es um 1500 gelingt, aus dem Handwerk des Buchdrucks eine Kunst zu machen.

Die kleinen Unterschiede zwischen Palatino und Aldus

Aldus verfügt über das typische, elegante Erscheinungsbild der französischen Renaissance-Antiqua (wie Galliard, Garamond, Minion). Im Vergleich zu ihrer großen Schwester Palatino besitzt die Aldus die im Werkdruck so wichtigen, leichteren Striche und offenere Punzen.

Dies macht sie für den Satz in kleineren Schriftgrößen besonders wertvoll, da dort die Buchstaben auch auf gröberen Papieren nicht zulaufen. Nicht umsonst gilt die Aldus seit den 1950er Jahren als 'die' Schrift für den Satz von Taschenbüchern.

Aldus ist ebenso wie Palatino leicht an den Fußserifen der Kleinbuchstaben h, m und n erkennbar, die nach rechts, nicht jedoch nach links ausgebildet sind. Aldus ist dabei diejenige Schrift mit der geringeren Höhe der Kleinbuchstaben und der schmaleren Laufweite.

Dank ihrer schmalen Laufweite kommt Aldus ohne Ligaturen aus. Im Unterschied zur Palatino verfügt sie über einige kuriose Besonderheiten, beispielsweise die an den Großbuchstaben F und E am mittleren Querstrich fehlenden Serifen oder den ausgesprochen hoch liegenden Querstrich im Großbuchstaben A.

Dennoch werden in der schriftsetzerischen Praxis keine Familienbande zertrennt: Die typografische Empfehlung lautet, bei Bedarf an einer fetten Aldus auf die fette Palatino zurückzugreifen. Umgekehrt wird bei Bedarf einer schmalen Palatino die Verwendung der Aldus empfohlen.

Frühe Beliebtheit der Aldus

Schon kurz nach ihrem Erscheinen erfreut sich Aldus einiger Beliebtheit. So wählt de Beauclair das Paar Palatino/Aldus 1956 für Drucke seiner Trajanus-Presse (Verlag für künstlerische Buchdrucke) und 1960 wählt der Verlag S. Fischer die Aldus-Buchschrift für seine Gesamtausgabe der Werke Thomas Manns.

Heute gehört Aldus zu den im Buchdruck am häufigsten eingesetzten Leseschriften. Für den computergestützten Schriftsatz ist sie als Open Type mit den vier Originalschnitten Regulär/Roman und Italic/Kursiv sowie als Kapitälchen (Roman SC) und als Alternativzeichensatz mit Mediävalziffern verfügbar.

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