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Klassizistische Antiqua

Die Klassizistische Antiqua ist die 4. Schriftklasse der Schriftklassifizierung nach DIN 16518 und umfasst Schriften, die sich ab Mitte des 18. Jahrhunderts auszubreiten beginnen.

Bodoni Roman
Die Bodoni ist ein typischer Vertreter der Klassizistischen Antiqua
Didot Roman
Die Didot ist ein weiterer Vertreter der Klassizistischen Antiqua

Der Klassizismus

Als kulturhistorische Epoche des Klassizismus wird im europäischen Kulturkreis vereinfacht der Zeitraum zwischen 1750 und 1830 verstanden. In dieser Zeit kommt es nach der überschwänglichen Formenverliebtheit von Spätbarock und Rokoko zu einer Konsolidierung der Formensprache. Es tritt eine Rückbesinnung auf antike Vorbilder des griechisch-römischen Kulturraums ein. Im Denken herrschen Logik und Klarheit vor, aber auch Formenstrenge und stark ausgeprägte Moralvorstellungen halten Einzug.

Um dem klassischen Vorstellungen von Klarheit und Norm gerecht zu werden, wurden Schriften mit Lineal und Zirkel gefertigt. Die Schriftgestaltung der klassizistischen Antiqua ist daher charakterisiert durch ihren streng symmetrischen Aufbau.

Die klassizistische Antiqua

Portrait des Typografen Giambattista Bodoni (1740–1813)
Portrait des Typografen Giambattista Bodoni (1740–1813)

In typografischer Hinsicht sind die Arbeiten von Firmin Didot und Giambattista Bodoni Stil prägend. Daher die englischsprachige Bezeichnung 'Didone' für die Schriften dieser Epoche. Erste klassizistische Antiquas treten ab dem Jahr 1770 auf.

Im deutschen Sprachraum finden die ersten klassizistischen Schriften ab 1795 im Rahmen der Arbeiten von Georg Joachim Göschen Verwendung. Namhafter deutscher Vertreter der Klassizistischen Antiqua ist Justus Erich Walbaum.

Justus Erich Walbaum
Justus Erich Walbaum, deutscher Vertreter der Klassizistischen Antiqua

Verbreitung

In Europa werden die Schriften der klassizistischen Antiqua lange Zeit das Druckbild beherrschen. In Deutschland hingegen unterliegen die Schriften schon bald dem in Jahrhunderten gewachsenen, übermächtigen Einfluss der gebrochenen Schriften.

Die Verbreitung der Antiquas wird zudem durch die politischen Vorgänge der Zeit, vor allem den Vormarsch der Franzosen unter Napoleon (deren Schriftwerk ja in der Antiqua gesetzt ist) nach Deutschland verhindert.

Die Antiqua gilt als 'Besatzerschrift' und im deutsch-nationalistischen Klima nach dem Abzug der Franzosen besteht erst recht keine Aussicht auf die weitere Verbreitung der Antiqua mehr.

Schriftgestaltung

Die Klassizistische Antiqua bildet mit ihren feinen Linien die Möglichkeiten des Kupfer-, später auch des Stahlstichs zur zierlichen Schriftgestaltung ab. Sie gilt allgemein als Vorbote des aufkommenden Technik- und Industriezeitalters.

In der Schriftgestaltung zeigt sich die erneute Hinwendung zu den antiken Schriftmustern: Weniger verspielte Linienführungen, dafür klarere, prägnantere Formen. Allgemein herrschen aus einfachen Formen konsequent und formstreng konstruierte Lettern vor, Vorbild ist die Architektur: 'mit Zirkel und Lineal'.

Betonung der Vertikalen

Durch diese Formensprache entsteht ein etwas statisch anmutendes Schriftbild mit starker Betonung der Vertikalen (Zugrichtung des Geistes - nach oben, zu Höherem): starke Grundstriche, in die feine Haarlinien münden, lotrecht senkrechte Schattenachsen und feine, lang ausgetriebene Serifen mit eckigen Abschlüssen und durchweg waagerechten Ansätzen.

Merkmale der Klassizistische Antiqua

Klassizistische Antiqua
Merkmale der Klassizistischen Antiqua © Jcarbose Creative Commons

Wichtigste Merkmale der Klassizistischen Antiqua sind die starken Stärkekontraste zwischen Grund- und Haarstrichen, strikt senkrechte Schattenachsen und lange, fein auslaufende Serifen.

Die neuen Schriften erfordern zum Entfalten ihrer besten optischen Wirkung exakten Satz aus präzise gegossenen Typen, große Wort- und Zeilenzwischenräume und breite Seitenränder, aus denen sich ein elegantes und gleichzeitig lichtes Satzbild ergibt:

  • Kontrastreiches Erscheinungsbild, ausgeprägte Unterschiede in den Haar- und Grundstrichstärken
  • Waagerechte, sehr dünne Serifen ohne ausgerundete Übergänge zu den Grundstrichen
  • senkrechte Schattenachse
  • Anstriche oben und unten waagerecht verlaufend
  • Oberlängen der Minuskeln gleich Versalhöhe
  • waagerecht verlaufender e-Strich

Vertreter der Klassizistischen Antiqua

  • Bodoni (Bodoni, 1766)
  • Didot (Didot, 1783)
  • Prillwitz (Prillwitz, 1790)
  • Unger (Unger, 1790)
  • Walbaum (Walbaum, 1800)
  • Tiemann (Tiemann, 1923)
  • Bauer Bodoni (Jost/Höll, 1927)
  • Caledonia (Dwiggins, 1938)
  • Century (Stan, 1975)
  • Fenice (Novarese, 1977)
  • Centennial (Frutiger, 1986)
  • Nofret (Zapf/ Hesse, 1986)
  • Kepler (Slimbach, 1996)