Serifenbetonte Linear-Antiqua
Die in der Schriftklassifizierung nach DIN 16518 in der Klasse 5 ,Serifenbetonte Linear-Antiqua' niedergelegten Schriften tauchen zu Beginn des 19. Jahrhunderts in England mit steigender Nachfrage nach werbetauglichen Schriften auf.
Diese Schriften, die sich visuell durch kräftige Serifen und ebenso kräftige Strichführung auszeichnen, werden in der Literatur auch als Egyptienne-Schriften, im Englischen auch als 'Slab Serif' oder 'Square Serif' bezeichnet.
Rosetta-Stein und Zeitgeist
Die deutsche Bezeichnung 'Egyptienne' leitet sich von dem Namen der durch die Royal Navy gekaperten französischen Fregatte "HMS Egyptienne" ab, die 1802 den Rosetta-Stein von Ägypten nach London bringt. Damit ist der Name Ausdruck der Zeitmode bei Aufkommen der serifenbetonten Linear-Antiqua, als alles Ägyptische sehr 'en vogue' war.
Als erste Egyptienne wird die 1815 von dem englischen Schriftschneider Vincent Figgins (1766-1844) vorgestellte Antique angesehen. Figgins schneidet seine Antique völlig ohne historische Vorbilder. Ihre Veröffentlichung wird zunächst mit geteiltem Echo aufgenommen. Das Spektrum reicht von "die brillanteste typografische Neuerung des 19. Jahrhunderts
" bis zu "typografische Monstrosität
".
Unterklassifizierung
Verschiedentlich werden die Serifenbetonten Linear-Antiqua weiter unterteilt. Ein Beispiel, das sich an dem Übergang aus anderen Schriftklassen orientiert:
Von klassizistischer Antiqua abgeleitet | Ableitung aus der klassizistischen Antiqua durch Verdickung der Haarstriche, jedoch unter Beibehaltung unterschiedlicher Stärken von Haar- und Grundstrichen. Die Serifen erscheinen ausgerundet. Beispiele: Glypha, Boton, Impressum. |
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Zeitungsschriften | Entstehen durch Übergang aus der klassizistisch-abgeleiteten Antiqua. Es sind typische Zeitungsschriften, die sich aus den technischen Anforderungen des Zeitungsdrucks ergeben: Verstärkung der dünnen Linien, um auch beim Druck auf den schnellaufenden Zeitungsdruckmaschinen gute Wiedergabeeigenschaften zu haben. Beispiele: Century, Excelsior, Candida. |
Konstruierte | Gekennzeichnet durch die Umsetzung von hauptsächlich konstruktiven Kriterien, also vergleichsweise einheitliche Strichstärken bei Haar-, Grundstrichen und Serifen, rechtwinkliger Serifenansatz. Beispiele: Rockwell, Memphis, Lubalin Graph. |
von Renaissance-Antiqua abgeleitet | Nicht zahlreiche Untergruppe, die den "lesefreundlichen Duktus" (Schriftenklassifikation) mit der Stabilität einer Egyptienne verbindet. Beispiele: Lino Letter, Joanna, Lucida Serif, TheSerif, Scala. |
Abweichend von dieser Unterklassifizierung existieren weitere Vorschläge zur Gliederung der Schriftklasse.
Vorbilder
Kommt die Antique des Vincent Figgins noch ohne historische Abstammung daher, orientieren sich spätere Egyptiennes an klassizistischen Vorläufern. Neuere Egyptienne-Schriften werden ohnehin eher aus Serifenlosen entwickelt. Neben den tradierten Schriften, die auch in Digitalform heute noch in ihren Originalformen erhältlich sind, finden sich in den größeren Schriftsystemen (bsp. Corporate) auch Egyptienne-Varianten.
Merkmale der Serifenbetonte Linear-Antiqua
Wichtigstes Merkmal der Serifenbetonten Linear-Antiqua sind die bei Serifen, Auf- und Abstrichen zu findenden, sehr ausgeprägten Strichstärken.
Diese sind eine Gegenreaktion auf die sehr feinen Serifen der Vorgängerklasse (Klasse 4: Klassizistische Antiqua), deren Feinheit zu erheblichen Einbußen bei Lesbarkeit und Druckbarkeit geführt hat. Um einer allzu großen Plumpheit der Egyptienne vorzubeugen, werden die Serifen abgerundet wiedergegeben.
Wesentliche Merkmale sind:
- Ausgeprägte und betonte Serifen
- kaum Kontraste in den Strickstärken (oft Grundstrichstärke = Haarstrichstärke = Serifenstärke)
- senkrechte Schattenachsen
- waagerecht verlaufende Anstriche
- Oberlängen der Minuskeln und Versalienhöhe gleich
- e-Strich waagerecht
Beispiele Serifenbetonte Linear-Antiqua
- City (1930)
- Memphis (1930)
- Joanna (1930)
- Rockwell (1933)
- Lino Letter (1933)
- Clarendon (1845)
- Antique (Figgins, 1817)
- Egyptian (Thorowgood, 1821)
- English Clarendon (Thorowgoood, 1848)
- French Clarendon (ATF, 1896)
- Serifa (1964)
- Aachen (1969)
- American Typewriter (1974)
- Lubalin Graph (1974)
- Glypha (1977)
- Boton (1986)
- Officina Serif (1989)
- Corporate E (1990)
- PMN Caecilia (1991)