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Schriftportrait Clarendon

Die Werbeikone. Neuneuneu - so wirbt es. Was passiert, wenn das Neue in die Jahre kommt, zeigt uns die Clarendon: Anno dunnemals die Mutter aller Webeschriften entworfen, wird sie 100 Jahre später wieder ausgegraben, aufpoliert ... und prompt für neu gehalten. Dabei kennt sie eigentlich, einst wie heute, jeder: von den Wanted!-Steckbriefen des Wilden Westens.

Wanted gesetzt in Clarendon
Jeder kennt die Clarendon von den Wanted!-Steckbriefen des Wilden Westens.

Die Clarendon erscheint 1845 bei der Londoner Schriftgießerei Fann Street Foundry, entworfen von Robert Besley in Zusammenarbeit mit Benjamin Fox. William Thorowgoods Fann Street ist in dieser Zeit die führende Londoner Schriftschmiede und bekanntester Anbieter von serifenbetonten Antiquas (Egyptiennes), den Gebrauchsschriften jener Zeit.

Exotische Egyptienne

Die Clarendon erscheint zunächst als Schmalschrift und ist - im Unterschied zu den typischen Egyptienne-Schriften - nicht als Auszeichnungsschrift für die Überschrift, sondern für den Fließtext gedacht.

Clarendon Light
Clarendon Light
Clarendon Roman
Clarendon Roman
Clarendon Bold
Clarendon Bold

Dementsprechend wartet sie mit Ungewöhnlichem auf: Gehen die Serifen der gewöhnlichen Egyptienne starr-rechtwinklig in den Grundstrich über, zeigen diese Übergänge bei der Clarendon einen fast schon eleganten Bogen - die gekehlten Serifen. Dieser Kunstgriff ergibt sich direkt aus der gedachten Anwendung der Clarendon: Sie ist als fette Begleitschrift zur Auszeichnung von Textpassagen im Fließtext gedacht. Daher muss sie sich der Textschrift (die voraussichtlich eine traditionelle Type sein wird, die selbstverständlich gekehlte Serifen haben wird) optisch anpassen.

Der gleichen Erfordernis sind ihre leicht unterschiedlichen Strichstärken - ebenfalls eigentlich Egyptienne-unüblich - geschuldet.

Clarendon Bold auf einem U.S. National Park Service-Schild
Clarendon Bold auf einem U.S. National Park Service-Schild

Die Geschützte ... für drei Jahre

Zufällig tritt um das Erscheinungsjahr der Clarendon in England eine Neuerung in Kraft: eine Neufassung des Urheberrechts, die den Schutz von typografischen Schöpfungen über einen Zeitraum von drei Jahren erlaubt. Die Clarendon ist die erste Schrift, die durch dieses Musterrecht geschützt wird.

Da sie jedoch schnell nach ihrem Erscheinen zu einem regelrechten Marktrenner wird, setzen sich andere Schriftgießereien mit oftmals minderwertigen Kopien und sehr zum Ärger ihrer Schöpfer über das Schutzrecht hinweg, um sich ihren Anteil am 'Clarendon-Kuchen' zu sichern.

Da diese 'Piraterie' zu einer enormen Verbreitung der Clarendon in England, Europa und den Vereinigten Staaten führt, entwickelt sich die Bezeichnung Clarendon im englischsprachigen Gebrauch zu einem Oberbegriff, der allgemein eine fette Auszeichnungsschrift bezeichnet.

Evolution in Typo

Mit dem Erfolg der Clarendon vollzieht sich eine nachhaltige Veränderung in der schriftsetzerischen Praxis: wurde zur Auszeichnung innerhalb des Fließtextes seit jeher die Kursive genutzt, so tritt nun die Clarendon und damit der Fettschnitt an diese Stelle. Diese Praxis hat sich im wesentlichen bis heute erhalten.

Dieser Wandel findet auch in der Hardware ihren Niederschlag: bei den Linotype-Zeilensatzmaschinen wird als Alternativzeichen nicht, wie seit jeher, der entsprechende Kursivbuchstabe, sondern der Fettbuchstabe verwendet.

Clarendon heute: die einfachen Zeiten?

Heute ist die Clarendon, nach einer Welle der Neuauflagen und Neuinterpretationen in den 1950er Jahren, wieder weit verbreitet - immer um uns wie die Liebe [q10], wie einem beliebten englischsprachigen Schriftblog zu entnehmen ist.

Und hier wird auch gleich ein Ansatz zur Erklärung für die Renaissance dieser nicht mehr ganz jungen Werbeschrift geliefert:

Vielleicht spiegelt das Wiedererblühen der Clarendon, ..., die Sehnsucht nach einer einfacheren Zeit - oder zumindest einer Zeit, von der wir in ... nostalgischer Verklärung anzunehmen pflegen, dass sie einfacher und weniger gefährlich war als unsere eigenen Tage.

Jeffrey Zeldman, [q10]
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