Schriftportrait Conduit
Die Kombizange im Typo-Werkzeugkasten. Wer schon einmal vor dem heillos zerdepperten Salat eines zu Bruch gegangenen Kinderspielzeugs saß und dabei in die hoffnungsvollen Augen des Filius blickten musste - "Der Papa wird's schon richten" - der wird die Dienste einer schlichten Kombizange zu würdigen wissen.
Wenn es in unserem modernen DTP-Werkzeugkasten eine Schrift gibt, die den Titel 'Kombizange' wahrhaft verdient, so ist es die Conduit: weder besonders schön, noch besonders prestigeträchtig und doch ungemein praktisch, vielseitig und nahezu bruchfest.
Am Anfang stand der Hinweis
Die ITC Conduit wird im Jahr 1997 von dem US-amerikanischen Schriftentwerfer Mark van Bronkhorst auf Anregung durch Schriften entworfen, die er auf gewöhnlichen Hinweisschildern gesehen hatte. Van Bronkhorst nimmt sich der von Amateurhand gezeichneten, regelmäßigen, aber etwas unbeholfen wirkenden Formen an und entwickelt sie mit seinem eigenen Sinn für Proportionen zu einer professionellen Schriftart.
"Optisch unzulänglich, aber direkt"
Bronkhorst selbst hat ein einem Interview einmal gesagt, dass er beim Entwurf der Conduit die Schilder auf Parkplätzen im Sinn gehabt habe:
Es ist die Art von Beschriftung, die man auf Boilern, Bauanleitungen und den kleinen Beutelchen mit Trocknungsmittel finden würde - einfach, nach einem einheitlichen Raster aufgebaut, optisch unzulänglich aber sehr gut lesbar und direkt.
Bei ihrem Erscheinen bei ITC im Jahr 1997 umfasst die Conduit-Familie zunächst die Schnitte Light, Medium und Bold, jeweils mit Kursiven. Sie erringt schnell Beachtung und entwickelt sich zu einer der bestverkauften Schriften im ITC-Bestand.
Die in den USA renommierte Branchenpostille 'Fast Company Magazine' tritt nach Erscheinen der sechs Conduit-Schnitte an van Bronkhorst mit der Bitte heran, weitere Schnitte zur exklusiven Nutzung durch das Magazin zu zeichnen. Bronkhorst folgt dem und seit 2002 stehen diese zusätzlichen Schnitte zur kommerziellen Nutzung zur Verfügung.
Conduit beweist Liebe zum Detail
Natürlich handelt es sich bei der Conduit um keine Schrift, die Typografen in warme Wallungen bringt und sie ist sicherlich nicht die erste Wahl beim Setzen eines Prachtbandes. Und doch zeigt der nähere Blick unglaubliche Liebe zum Detail.
Obwohl alle Buchstaben und Zahlen nach einem einheitlichen Raster aufgebaut sind, alle Ecken den gleichen Radius haben (wie bei der namensspendenden Wasserleitung), ist doch jedes Zeichen individuell gezeichnet und abgestimmt, sodass sich ein überraschend harmonisches Schriftbild in den einzelnen Wortbildern und im geschlossenen Text entwickelt.
Die ehrliche (Schrift-)Haut
Erik Spiekermann hat den Charakter der Conduit treffend mit den Worten zusammengefasst:
Die Schönheit der ITC Conduit liegt in dem Umstand, dass sie nicht behauptet etwas zu sein, was sie nicht ist. Sie mag nicht schön sein, aber sie ist vielseitig, lesbar und es fällt leicht, mit ihr zu arbeiten - eine wunderbar beschränkte Schrift.
Die heutige Conduit-Familie umfasst 14 Schnitte von Extra Light bis Black mit den entsprechenden Kursiven und entsprechenden Kapitälchen. Hinzu kommen Alternativzeichensätze mit Mediävalziffern ('OsF') und Zeichensätze mit echten Kapitälchen.
Eine Besonderheit der Conduit ist, dass sie, obwohl es sich um eine geometrische Schriftart handelt, über echte Kursive mit Alternativzeichen handelt. Gerade diese Vielfalt an Schnitten und Alternativzeichen macht aus der Conduit ein wertvolles, wenn auch nicht prätentiöses, typografisches Werkzeug mit einem unglaublich breiten Anwendungsspektrum.
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