Schriftportrait Cheltenham
Die Amerikanische. Sie gilt als die Verkörperung der reinen amerikanischen Schriftgestalterkunst [q10]: Die Cheltenham, welterste Schriftfamilie, 'halt die aus der New York Times', die heute (wieder) einen festen Platz in der internationalen Schriftenwelt einnimmt.
'Arts and Craft' meets Druckindustrie
Die Cheltenham entsteht als Auszeichnungsschrift im Jahr 1896 durch Bertram G. Goodhue in Zusammenarbeit mit Ingalls Kimball. Goodhue ist Architekt, Anhänger der US-amerikanischen 'Arts and Crafts'-Bewegung und Schriftentwerfer. Kimball ist US-amerikanischer Unternehmer, Drucker und Inhaber der Cheltenham Press Inc., New York.
Ziel der gemeinsamen Arbeit ist die Schaffung einer neuen Hausschrift für die 'Cheltenham Press'. Da die Schrift hauptsächlich im Buchdruck eingesetzt werden soll, legt Goodhue den Schwerpunkt auf gute Lesbarkeitseigenschaften.
Die Kopflastige
Es entsteht ein gleichförmiger und recht konventioneller Entwurf. Die kurzen und kräftigen Serifen werden den bereits fünfzig Jahre zuvor erschienenen Formen der Clarendon-Familie entlehnt und sind in zahlreichen anderen Schriften dieser Zeit wiederzufinden.
Was Goodhues Entwurf von anderen Schriften abhebt, ist die Umsetzung seiner Überzeugung, dass die obere Hälfte der Buchstaben für die Lesbarkeit von entscheidender Bedeutung ist. Dies führt zu dem charakteristischen, später jedoch oft kritisierten, 'kopflastigen' Erscheinungsbild der Cheltenham.
Die erste Schriftfamilie
Goodhues Schriftentwürfe werden im Jahr 1902 von den American Type Founders Company (ATF) und von der Linotype-Mergenthaler Company aufgekauft. ATF-Schriftdirektor Morris Fuller Benton überarbeitet sie und formt die Cheltenham zu einer ganzen Schriftfamilie mit schmalen und weiten Schnitten aus.
Benton liefert schließlich 21 Einzelschnitte, die die Cheltenham zur weltersten Schriftart machen, die kommerziell als 'Familie' erhältlich ist. Nach ihrer Veröffentlichung genießt die 'Chelt', wie sie in US-amerikanischen Schriftsetzerkreisen schnell genannt wird, einen außerordentlichen Erfolg, mausert sich schnell zu einer veritablen Goldgrube
[q20].
Chelt für die Times
1906 wird die Chelt als Auszeichnungsschrift für die Überschriften der New York Times ausgewählt. Im Lauf der folgenden Jahrzehnte erscheint die Cheltenham in der New York Times in Kombination mit einem guten Dutzend anderen Schriftarten.
Im Jahr 2003 wird sie zur alleinigen Typo für die NYT-Überschriften erklärt. Die exklusiv von der New York Times genutzte Cheltenham wird von Matthew Carter auf der Grundlage der ursprünglichen Zeichenformen entwickelt.
Abstieg in der Gunst
Wie so oft folgt dem schnellen Aufstieg, verbunden mit übermäßiger Nutzung, der Entzug der Gunst: Mit zunehmender Auswahl an Auszeichnungsschriften in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg gerät die Chelt allmählich ins Abseits.
Beschleunigt wird der Abstieg der Cheltenham durch das Urteil der Fachwelt. So schreibt der US-amerikanische Schriftenpapst McMurtrie recht unzweideutig:
Das Erscheinungsbild der meisten Magazine und Werbedrucke wird schlicht durch den Verzicht auf jedwede Variante der Cheltenham verbessert.
Quelle: [q20]
Die Kritik an der Cheltenham nimmt zu, weitet sich zur Kritik an ihren Nutzern und Freunden aus - wahrscheinlich schrifthistorisch der erste Fall des so beliebten, verbreiteten und (zumeist) ungerechtfertigten 'Schriften-Bashing'.
Neuanfang mit ITC
Die Cheltenham feiert im Jahr 1970 eine Neuauflage, als Tony Stan sie für die US-amerikanische International Typeface Corporation (ITC) überarbeitet.
Im ITC-Gewand macht sich die Cheltenham nun erneut auf, im US-amerikanischen und später auch im Weltschriftenmarkt neu Fuß zu fassen (was ihr auch gelingt). Nur einer hält ihr heute wie damals die Treue: die New York Times, die 2006 ihr einhundertjähriges 'Chelt-Jubiläum' mit einer fetten Cheltenham-Überschrift feiern kann.
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