Schriftportrait Neue Haas

Lost in Translation - die Neue Haas. Von der Schweiz in die Welt, dafür muss die Neue Haas Federn lassen. Es wird gestutzt, abgeschrägt und dann ist auch der Name weg: Als Helvetica erobert das, was von der Neuen Haas übrig bleibt, die (Schrift-)Welt. 2011 erscheint die alte Neue Haas neu - neu und doch ganz die Alte.

Haas' Neue

Der schweizerische Schriftentwickler Max Miedinger arbeitet seit Frühjahr 1956 gemeinsam mit dem Grafiker Eduard Hoffmann an einer neuen Serifenlosen. Hoffmann ist gleichzeitig Geschäftsführer der Haas'schen Schriftgießerei Münchstein (bei Basel).

Anlässlich der Messe 'graphique 57' werden die halbfetten Schnitte der neuen Miedinger-Schrift unter der Bezeichnung 'Neue Haas' vorgestellt. Zunächst erscheinen nur Lettern für den Handsatz. Ab Juni 1959 wird die Neue Haas, jetzt durch den neuen Mehrheitseigner der Haas'schen Schriftgießerei, die D. Stempel AG, auch als Matrizen für den Maschinensatz auf Linotype-Maschinen angeboten.

Maschinensatz und die Helvetica

Die Anpassung an den zukunftsträchtigen Maschinensatz ist ein wichtiger Schritt bei der Vermarktung der neuen Schrift. Auf Betreiben der D. Stempel AG, die Absatzmöglichkeiten auf dem internationalen Schriftenmarkt vor Augen, wird der Name der Schrift in Helvetica geändert.

Die Lettern für den Handsatz laufen allerdings weiter unter der Bezeichnung Neue Haas. Die Trennung beider Schriften ist jedoch nicht sehr scharf, viele Verkaufskatalogen führen beide Schriftnamen nebeneinander auf.

Die Neue fürs Alte

Die Unterscheidung zwischen Helvetica und Neue Haas spiegelt die Gegebenheiten wieder: Zur Übernahme der Neuen Haas in den Linotype-Maschinensatz müssen an Zeichenformen und Laufweiten beträchtliche Änderungen vorgenommen werden.

Die Gründe dafür sind vornehmlich technischer Natur: Linotype-Matrizen (also die Gussform für einen Buchstaben) enthalten neben dem eigentlichen Zeichen eine weitere, Alternativform genannte Variante des gleichen Buchstabens. Die Alternativform ist üblicherweise die kursive oder fette Variante des betreffenden Zeichens.

Da beide Buchstabenformen, regulär und kursiv, auf der gleichen Matrize sitzen, müssen beide Formen zwangsläufig die exakt gleiche Breite haben. Dies führt unweigerlich zu Abweichungen: Die Kursiven erscheinen leicht gesperrt, fette Schnitte erscheinen zu schmal laufend.

Entsprechend diesen Umständen wird die Helvetica angepasst, während die Neue Haas unverändert bleibt, jedoch nur noch für den Handsatz angeboten wird. Alles in allem, so behaupten böse Zungen, hat die Helvetica mehr kosmetische Eingriffe hinter sich als jede Hollywood-Diva.

Wiederauferstehung 2011

So ruht die Neue Haas, von der mit Aussterben des Handsatzes keine Rede mehr ist, bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Im Jahr 2004 wird Christian Schwartz von Linotype mit einer umfassenden Erneuerung der Neuen Haas für das Digitalzeitalter beauftragt. Dabei werden die Buchstabenformen in über sechsjähriger Arbeit wieder zu ihren ursprünglichen Formen restauriert.

Schwartz stellt zwei Kategorien auf: Die Auszeichnungsschriften, mit charakteristisch schmaler Laufweite, die für größere Schriftgrößen gedacht sind, und die etwas weiter laufenden Werkschriftschnitte für den Massensatz. Zudem stellt Schwartz die Alternativzeichen, wie das berühmte R mit dem 'angewinkelten Bein' wieder her, das keinen Eingang in die Helvetica gefunden hatte.

Im Jahr 2011 schließlich erscheint die Neue Haas bei Linotype als moderne Schriftfamilie aus acht Schnitten von Thin bis Black mit ihren Kursiven und drei Schnitten für den Werksatz mit ihren kursiven Varianten.

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