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Schriftportrait Serpentine

Die Dampfwalze. Eine Schrift wie ein Rammbock - laut, brachial und schnell. Die Serpentine ist der Faustschlag ins Gesicht der feingeistigen Spitzendeckchen-Typografie. Wenn es durchschlagend, dröhnend laut und vielleicht auch ein bisschen obszön sein soll, ist Serpentine allererste Wahl.

Serpentine Light
Serpentine Light
Serpentine Light Oblique
Serpentine Light Oblique

Die Serpentine wird im Jahr 1972 von dem US-amerikanischen Grafiker, Holzschneider und Maler Richard Anthony 'Dick' Jensen für die Visual Graphics Corporation entwickelt.

Bruch aller Konvention

Jensens Entwurf bricht mit vielen typografischen Konventionen. Auf eine Art, die manche Autoren an Aldo Novareses zehn Jahre zuvor erschienene Eurostile erinnert, versucht Jensen sich an der Quadratur des Kreises: Die Zeichenformen der Serpentine nähern sich an Quadrate mit abgerundeten Ecken an.

Doch dabei lässt Jensen es nicht bewenden. Nicht die 'quadratischen Kreise' sind das dominierende Gestaltungselement seiner Serpentine, sondern er entwickelt aus massiven Strichstärkenkontrasten, galoppierender Laufweite und einem Hauch von Serifen an den Strichenden eine Schrift, die nur eines ausdrückt: brachiale Kraftentfaltung.

Und spätestens hier versagt dann auch die typografische Abstammungslehre: wo die Eurostile gepflegt, vielleicht ein wenig ungewöhnlich, aber durchaus massengeschmackstauglich daherkommt, stampft die Serpentine mit brachialem Schwarzwert durch den sorgsam eingeteilten Weißraum.

Serpentine Medium
Serpentine Medium
Serpentine Medium Oblique
Serpentine Medium Oblique

Lauter! Schneller! Serpentine!

Und genau dies ist die Domäne der Serpentine: alles, was schnell, laut und vielleicht auch ein bisschen pröllig ist. Man denkt an Stockcar-Autorennen, Techno-Parties mit Komatanz oder Turniere im Freistilringen - aber auch Stripshows und den Ganznacht-Abschleppschuppen ohne Türsteher passen ins Bild. Das Leise, Feine, mit Spitzendeckchen verzierte ist nichts für die Serpentine - hier wirkt sie, der schriftgewordene Godzilla, deplatziert, unter Umständen sogar billig und obszön.

Und gerade diese Zweischneidigkeit macht die Serpentine zu einem so schwierigen Werkzeug im typografischen Repertoire: Sie kann ausgesprochen wirksam sein, die Lauteste in der um Aufmerksamkeit buhlenden Schriftenwelt. Sie kann aber auch völlig fehl am Platze, ja lächerlich und billig sein - es kommt nur auf den Zusammenhang an.

Serpentine Bold
Serpentine Bold
Serpentine Bold Oblique
Serpentine Bold Oblique

Die, die aus dem Leim geht (gehen macht?)

Gleich wie: Die Serpentine polarisiert und lässt kaum jemanden kalt - sowohl in ihrem typografischen Ausdrucksvermögen, irgendwo zwischen stilistischem Wutausbruch und optischer Kraftmeierei (oft mangels anderer erwähnenswerter Eigenschaften), als auch in der Ratio ihrer Anwendung oder Nichtanwendung.

Einige, die sich bei der Beurteilung typografischer Nuancen einer gemäßigten Ausdrucksweise befleißigen, gehen beim Thema Serpentine (sprachlich) völlig aus dem Leim:

Die Schrift für alles auf dem Weg durch das digitale Lala-Land, aus dem sie gehauen wurde, miss- und übergebraucht durch Hunderte von Grafikern

Luc Devroye, Quelle: [q10]

oder auch:

die zunehmende Popularität der Serpentine als Vorbote des schließlichen Untergangs der westlichen Welt in einer alles verschlingenden Idiotie

Nathan C. Ford, Quelle: [q20]

Der typografische Faustschlag

Wem die so empfundene Wirkung bewusst ist, der kann sie natürlich gezielt als Gestaltungsmittel einsetzen: als typografisches Ausrufezeichen, als optisches Muskelspiel oder einfach als gewollte Provokation. Die Serpentine liefert das - wenn man sie richtig einsetzt.

Denn nur allzu oft wird aus dem 'Gefühl des besonderen Eindrucks' (fonts.com), der bei Verwendung der Serpentine angeblich hervorgerufen werden soll, das Gefühl eines Faustschlags unter die ästhetische Gürtellinie.

Gleich wie man zur Serpentine stehen mag, in jedem Fall gelingt Jensen mit ihr ein kleines Kunstwerk: eine Schrift, die in ihrem Dreiklang aus light, medium und bold dreimal ihr Gesicht wechselt und doch immer nur das eine ist: der Bulldozer, der mit brachialem Habitus seine typografische Spur durch die Wahrnehmung pflügt.

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