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Schriftportrait Schneidler

Das Paradepferd. Das Renaissance-Venedig gilt als Hochburg der Schriftentwicklung, die hier im 15. Jahrhundert geschnittenen Schriften als Urmütter unseres Schriftenbestandes. Venezianerinnen sind anmutig, klassisch schön und wohlproportioniert: Nur wenige Schriften verkörpern diese Ideale so konsequent wie Ernst Schneidlers Stempel-Schneidler, der es mühelos gelingt, uns den Geist des venezianischen Druckkönnens in Wortbildern vor Augen zu führen.

Schneidler Light
Schneidler Light
Schneidler Light Italic
Schneidler Light Italic

Schneidlers Kleeblatt

Friedrich Hermann Ernst Schneidler gilt als einer der einflussreichsten deutschen Typografen des 20. Jahrhunderts. Über seine Tätigkeit als Schriftschöpfer und Kalligraf hinaus macht er sich vor allem als Lehrender an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart einen Namen.

Unter den Schriftbeiträgen Schneidlers ist neben seinen bedeutenden Schriftschöpfungen Zentenar Fraktur (1937) und der Schreibschrift Legende (1937/38) vor allem die 1936 für die Bauersche Gießerei Frankfurt gezeichnete Schneidler Mediäval von Bedeutung.

Bei der heute recht beliebten Stempel-Schneidler handelt es sich um eine überarbeitete Neuauflage der ursprünglichen Schneidler Mediäval mit zusätzlichen Schnitten, die der Mediäval fehlten.

Schneidler Roman
Schneidler Roman
Schneidler Italic
Schneidler Italic

Venezianische Wurzeln

Schneidler entwickelt die Stempel-Schneidler zunächst als reine Werkschrift für den Satz von Büchern. Die Gestaltung stützt sich in besonderem Maße auf von den venezianischen Druckern der Renaissance entwickelten und genutzten Schriften.

Trotz einer gewissen Bodenständigkeit als Werksatzschrift besitzt gerade die Stempel-Schneidler jene unnachahmliche Anmutung, die für die Schriften F. H. Ernst Schneidlers so charakteristisch ist: die meisterhafte Beherrschung der Kalligrafie, die sich in der Ausformung jedes einzelnen Zeichens widerspiegelt, und der Variantenreichtum, den Schneidler in einer endlosen Reihe von handgezeichneten Skizzen aller Spielarten der Zeichenformen in beinahe schmerzhafter Akribie ausarbeitet.

Schneidler Medium
Schneidler Medium
Schneidler Medium Italic
Schneidler Medium Italic

Das Schriftkunstwerk

Erst die eingehende Beschäftigung mit der Stempel-Schneidler offenbart die ganze Tiefe des Schneidlerschen Könnens: Wird sie bei oberflächlicher Betrachtung als wenig ästhetisch, im Satz nicht gut funktionierend und "irgendwie knöchern" eingeschätzt, manchmal wegen ihrer "würsteligen Serifen" geschmäht, offenbart sich nach tiefer gehender Betrachtung ihr Wert als kleines Schriftkunstwerk:

Ibler und Menke bemerken in ihrer Analyse von Schneidlers Schriftwerk:

Sie versucht nicht dem Betrachter ihre Form aufzudrängen, sondern nimmt sich zugunsten der Lesbarkeit zurück..

Ibler und Menke

Als unverwechselbares Merkmal vieler Schneidler-Schriften zeigt die Stempel-Schneidler ihre ausgeprägten, gewölbten Serifen. Diese tragen in besonderem Maße zur guten Lesbarkeit der Schrift auch bei kleinen Schriftgrößen bei. Beinahe schon spektakulär ist das einzigartige Fragezeichen der Stempel-Schneidler.

Schneidler Fragezeichen der Schriftschnitte von Light und Light Italic bis Black und Black Italic
Fragezeichen der Schriftschnitte von Light und Light Italic bis Black und Black Italic
Schneidler Bold
Schneidler Bold
Schneidler Bold Italic
Schneidler Bold Italic

Formale Einordnung: das Paradepferd

In ihrer formalen Einordnung in das Schriftenschema nach DIN 16518 ist die Stempel Schneidler eine Venezianische Renaissance-Antiqua nach Klasse 1. Im Hinblick auf die Ausführung ihrer klassentypischen Merkmale ist sie das Paradebeispiel einer Venezianerin.

Stempel-Schneidler zeigt sämtliche Merkmale der italienischen Renaissance-Schriften in Vollendung: schräge Dachansätze, leichte Linksneigung der Schattenachsen, Ausgestaltung der Serifen und der schräg verlaufende Innenbalken des e.

Schneidler Black
Schneidler Black
Schneidler Black Italic
Schneidler Black Italic

Schriftgewordene Ideale

In gewisser Weise erscheint die Stempel-Schneidler selbst wie eine Verkörperung der Ideale, die Schneidler als Lehrer vermitteln will: Bei seinen Schülern, so wird gesagt, habe er es wie nur wenige verstanden, die individuellen Qualitäten des Einzelnen zu erkennen und zu fördern.

Genau dies trifft auch auf seine Stempel-Schneidler zu: Sie arbeitet das Wesen der Venezianischen Antiqua in hervorragender Weise heraus und wird damit selbst zum Sinnbild für die Schönheit der Schriften dieser Zeit, die heute noch unseren Schriftbestand bereichern.

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