Schriftportrait Rotis
Rotis, die Streitschrift - keine andere Schriftart bringt Typografengemüter mehr in Wallung als die Rotis. Für Kritiker ist sie eine Sammlung nett gezeichneter Buchstaben, aber keine Schriftart. Für Verehrer ist sie die einzig wahre Brotschrift, da sie sich mit unnachahmlicher Eleganz über viele Konventionen der Serifenlosen hinwegsetzt.
Schrift des Meisters
Die Rotis wird 1988 von einem der einflussreichsten deutschen Nachkriegsdesigner, Otto "Otl" Aicher geschaffen. Von Beginn an als variantenreiche Hybridschriftart entwickelt, bringt Aicher unter dem Namen Rotis eine Serifenschrift, eine Serifenlose sowie zwei Übergangsformen (Semi Serif und Semi Sans) hervor.
Aicher selbst hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg einen Namen als Wegbereiter der neuen westdeutschen Gestaltung gemacht. Sein Werk ist umfassend, er gilt als der wichtigste Wegbereiter der Visuellen Kommunikation und die angemessene Würdigung seines Wirkens sprengt Bände.
Seiner Natur nach ist Aicher mehr Grafiker als Typograf und er kreiert die Rotis nach eigenem Bekunden, um "den typografischen Kriegszustand" zwischen Antiqua- und Groteskschriften "zu beenden".
Freiraum nutzen
In seiner Arbeit nutzt Aicher die nach dem Wegfall des Nationalsozialismus und seiner alles umfassenden Gestaltungs- und Symbolsprache entstehenden Frei- und Leerräume zur Ausformung des grafischen Erscheinungsbildes Westdeutschlands.
In gewisser Weise trifft dies auch auf die Rotis zu, die sich einen typografischen Freiraum erobert, der bis dato unbesetzt geblieben ist - eine Schriftart, die über eine Serifenschrift und eine Serifenlose mit gleichartigem Skelett verfügt, ist bis dato unbekannt.
Rotis, das Problemkind
Ungeachtet dieses Bemühens ist der Verdienst der Rotis jedoch eher grafischer als typografischer Natur. In Rotis gesetzte Fließtexte wirken ebenso unruhig wie die Bündigkeitszone des von Aicher so verehrten Flattersatzes, gleichzeitig gibt die Schrift aber Signets und Werbesprüchen eine unverwechselbare Prägnanz.
Aicher, Gegner des Nationalsozialismus, enger Freund von Hans und Sophie Scholl und Verfechter der radikalen Kleinschreibung, lehnt die Groß- und Kleinschreibung als typografischen Ausdruck von Herrschaft und Unterdrückung ab.
Konsequenterweise erscheint die Rotis zunächst nur mit Kleinbuchstaben. Daher muten die später nachgereichten Großbuchstaben der Rotis auf eine undefinierbare Art 'hinzugekommen' an, etwa wie ein mittelmäßig begabter Fotograf in einer Selbstauslöseraufnahme.
Gelehrtenstreit um die Rotis
In Typografenkreisen ist und bleibt die Rotis umstritten, zumal Aicher viele seiner selbst aufgestellten Lehrsätze in Bezug auf die Lesbarkeit von Schriften bei Schaffung der Rotis nicht beachtet hat. Immer wieder genannter Kritikpunkt ist das unruhige, manchmal gar flimmernde Schriftbild, das die Rotis auf hellem Papier liefert.
Puristen (insbesondere solche, die Aicher für einen schlechten Typografen halten) empfehlen die Nutzung der Rotis vornehmlich für Grabsteine, während andere beobachten, dass Rotis sich kraft häufigster Nutzung zu einem Ausdruck des europäischen Zeitgeists entwickelt habe.
Rotis abseits der Polemik
Doch abseits aller Typografenpolemik findet die Rotis zahlreiche Freunde und Nutzer. Städte wie Montreal, Portland (Oregon) und Seattle (Washington), aber auch die heimischen Orte Reutlingen, Metzingen und Essen sowie das österreichische Bundesland Tirol nutzen die Rotis als Hausschrift. Die Verkehrsschilder in Auckland, Neuseeland und in Singapur sind in Rotis gesetzt.
Im Firmenbereich findet sich Rotis auf den Flugzeugrümpfen der Scandinavian Airlines ebenso wie bei der Stuttgarter Straßenbahn, beim Deutschen Ruderverband ebenso wie bei den Johannitern und bei AEG ebenso wie auf der Verpackung der Milka-Schokolade.
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