Schriftportrait Compacta
Die Schmale. Der Text ist der natürliche Feind des Weißraums - eine simple, aber tiefe Wahrheit, deren Konsequenzen jedem Layouter sicherlich schon einmal Sorgenfalten auf die Stirn geworfen haben. Wie gut, das es einige wenige Schriften gibt, mit denen sich der sprichwörtliche Bibelinhalt typografisch schmerzfrei auf einem Bierdeckel wiedergeben lässt.
Letrasets erste Eigene
Die Compacta wird 1963 von Fred Lambert für den britischen Klebebuchstabenhersteller Letraset gezeichnet. Sie ist die erste eigene Schrift des 'Rubbelbuchstabenherstellers', der bis dato ausschließlich die Schriften anderer Hersteller auf Selbstklebefolie vertrieb.
Die Compacta wird im Allgemeinen als Hommage an die extrem schmal laufenden Schablonenschriften der 1920er Jahre verstanden, die in den beiden Jahrzehnten vor dem Zweiten Weltkrieg vor allem auf dem britischen Werbemarkt sehr beliebt waren.
Unter Lamberts Hand entstehen 1963 zunächst die Schnitte Light, Roman, Italic, Bold und Bold Italic. Im Jahr 1965 reicht Lambert die Konturschnitte Outline und Bold Outline an und im Jahr 1976 vervollständigt die Compacta Black den ursprünglichen Bestand an Schnitten.
Das Platzwunder
Dass sich die Compacta nicht für den Satz langer Texte eignet, versteht sich von selbst. In ihrer artgerechten Verwendung ist sie hingegen ein wahres Platzwunder. Sie verbindet die ausgesprochen ökonomische Raumnutzung mit dem hohen Wiedererkennungswert einer geometrischen Serifenlosen in zeitlosem Gewand.
Mit der Compacta sind beinahe schon 'verboten' kurze Buchstaben- und Wortabstände möglich, sodass, bildlich gesprochen, die ganze Bibel auf einem Bierdeckel untergebracht werden kann.
Begrenzte Anwendungsmöglichkeiten: der Zug nach oben
Wie gesagt: kann. Denn je nach Kontext hat die Verwendung der Compacta ihren Preis. Die überaus starke Betonung der Senkrechten, die durch das geometrische Erscheinungsbild noch verstärkt wird, kann sich in ungünstigen Situationen nachteilig auf die Gesamtkomposition einer Seite auswirken.
Der Zug 'nach oben', den die Compacta aus der Kombination ihrer extrem schmalen Laufweite, der großen Strichstärke und der geometrischen Linienführung bezieht, kann derart dominierend wirken, dass die gesamte Seite in der Senkrechten gedehnt erscheint.
Dieser Eindruck kann bei ungünstiger Konstellation durch den dominierend hohen Schwarzwert der Compacta, zumal bei großer Schriftgröße, bis ins Unerträgliche verstärkt werden. Umgekehrt - und falls 'Auffallen um jeden Preis' die Parole ist - kann dieser Effekt natürlich auch ganz bewusst herbeigeführt werden: Eine in dieser Weise gekonnt gestaltete Compacta-Komposition 'erschlägt' alles in ihrem Umfeld und die gewünschte Aufmerksamkeit ist damit gesichert.
Logo? Logo!
Geschickt eingesetzt kann sie in einer Vielzahl von Situationen verwendet werden. Da sich ihre Buchstaben beinahe ausnahmslos in beliebigen Kombinationen eng aneinander schmiegen, ist sie auch bei grafischen Aufgabenstellungen, etwa der Schrift-Logogestaltung, ein überaus wertvolles Instrument.
Dass diese Konturtreue sogar für die kursive Variante gilt, macht die Compacta wegen der zusätzlichen Kombinationsmöglichkeiten aus Aufrechten mit Kursiven noch wertvoller. Diese Eigenschaft zeigt nebenbei das hervorragende Können ihres Schöpfers Lambert, der schon damals, 1963, mit diesen Qualitäten der von Profis oftmals belächelten Rubbelbuchstaben-Gemeinde ein schlagkräftiges Argument für den kreativen Wert der Klebebuchstaben in die Hand gab.
Verwendung der Compacta
Vielen ist die Compacta als die Schrift bekannt, mit denen der britische Modellbausatz-Hersteller Airfix seine Packungen beschriftete. Im Filmbereich findet sie als Logofont Verwendung in einer Unzahl von Filmen von Pretty Woman bis Band of Brothers und im zeitgeschichtlichen Zusammenhang ist sie die Schrift, aus der Grafiker Holger von Czettritz 1970 (in Letraset-Buchstaben) den Schriftzug des RAF-Logos bildete.
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