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Französische Renaissance-Antiqua

In der Schriftklasse Französische Renaissance-Antiqua, der Klasse 2 der Schriftklassifizierung nach DIN 16518, finden sich Schriften, die sich ab Mitte des 16. Jahrhunderts in Frankreich aus den venezianischen Druckschriften entwickeln.

Von Venedig nach Paris

Die in dieser Klasse zusammengefassten Schriften entwickeln sich mit der anbrechenden Spätrenaissance ab etwa 1530 in Frankreich, vornehmlich im Großraum Paris.

Portrait Aldus Manutius
Portrait Aldus Manutius (* 1449 in Bassiano; † 6. Februar 1515 in Venedig)

Überragende Schriftgestalter aus dieser Periode sind das Gespann Aldus Manutius und Francesco Griffo, deren Einfluss über die Alpen bis nach Frankreich dringt, sowie die Franzosen Antoine Augereau und sein Lehrling Claude Garamond, die mit ihren Arbeiten die ganze Epoche klar dominieren.

Stempelschneiders Claude Garamond
Portrait des Pariser Stempelschneiders Claude Garamond (1499 bis 1561)

Schwierige Unterscheidung

Der Übergang von der Venezianischen Renaissance-Antiqua zur Französischen Renaissance-Antiqua vollzieht sich allerdings fließend und die Unterscheidung zwischen beiden Schriftgruppen ist nicht immer leicht.

So kommt auch der in DIN 15618 vorgenommenen Unterscheidung in Renaissance-Schriften französischen und venezianischen (italienischen) Ursprungs in der schriftsetzerischen Praxis nur geringe Bedeutung zu.

Garamond Regular
Ein typischer Vertreter der Französischen Renaissance-Antiqu ist die Garamond von Claude Garamond.
Goudy Old Style
Ein weiterer Vertreter der Französischen Renaissance-Antiqu ist die Goudy Old Style von Goudy.

Feinere Ausgestaltung

Immerhin lässt sich festhalten, dass die Französischen Renaissance-Antiquas sich von den venezianischen Varianten durch eine allgemein feinere Ausgestaltung des Schriftbilds unterscheiden. Diese Ausgestaltung vollzieht sich im zeitlichen Ablauf etwa parallel zur technischen Verfeinerung des Druckvorgangs mit dem Übergang zur vollendeten Druckkunst, wie er in dieser Zeitperiode zu beobachten ist.

Am deutlichsten tritt diese Verfeinerung des Schriftbildes in den feiner abgestuft ausgestalteten Unterschieden der Strichstärken bei der Französischen Variante zutage. Den französischen Schriften aus der Spätrenaissance (in der englischsprachigen Literatur als Geraldes bezeichnet) wird meist ein ruhiges, ausgeglichenes und differenziertes Schriftbild mit hervorragenden Leseeigenschaften attestiert.

Minion Regular
Die Französischen Renaissance-Antiqu Minion von Slimbach.
Die Schrift Aldus Roman
Die Französischen Renaissance-Antiqu Aldus von Zapf.

Gleichmäßigere und harmonischere Formen

Im Vergleich zur Venezianischen Renaissance-Antiqua verfügt die französische Variante über gleichmäßiger gestaltete Zeichenformen. Die französische Antiqua wirkt daher im Schriftbild ruhiger und vermittelt einen übergreifend solideren Eindruck als die manchmal etwas unruhig wirkende Venezianerin. Die Zeilenführung der Französin erscheint ruhig und das gesamte Schriftbild zeichnet sich durch eine sehr gute Lesbarkeit aus.

Diese Eigenschaften prädestinieren die französischen Renaissance-Schriften für längere Texte und den Einsatz im Werksatz. Durch ihre regelmäßigere Formgebung eignen sie sich besser für den Druck, da sie gegen drucktechnische Fehlstellen und technische Unwägbarkeiten des Druckvorgangs bei ungünstigen Voraussetzungen deutlich unempfindlicher sind.

Allgemein weisen die Schriften der Französischen Renaissance-Antiqua die folgenden Merkmale in unterschiedlichen Ausprägungen auf:

Venezianischen Renaissance-Antiqua
Merkmale der Französischen Renaissance-Antiqua © Jcarbose Creative Commons
  • Schattenachse deutlich nach links geneigt
  • Serifen mit stark ausgerundeter, (manchmal aber auch fehlender) Kehlung
  • schräg verlaufende Anstriche/Dachansätze
  • Querstrich des e verläuft waagerecht
  • deutlich differenzierte Strichstärken (Grund- und Haarstriche)
  • Grossbuchstaben (oft) mit geringerer Höhe als die Oberlängenhöhe

Schriftbeispiele der Französische Renaissance-Antiqua

  • Bembo (original: Griffo, 1496; neu durch Morrison, 1929)
  • Garamond (Garamond, 1480 - 1561)
  • Goudy Old Style (Goudy, 1915)
  • Weiß Antiqua (Weiß, 1926)
  • Granjon (Jones, 1928)
  • Palatino (Zapf, 1950)
  • Berling (Forsberg, 1951)
  • Aldus (Zapf, 1954)
  • Trump Mediaeval (Trump, 1954)
  • Meridien (Frutiger, 1955)
  • Dante (Mardersteig, 1957)
  • New Aster (Simoncini, 1958)
  • Albertina (Blokland, 1965)
  • Sabon (Tschichold, 1967)
  • Galliard (Carter, 1978; nach Granjon, 16. Jh.)
  • Stone Serif (Stone, 1987)
  • Minion (Slimbach, 1990)